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Sonst gern
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Diese Glosse von Matthias
Spielkamp erschien am 11.1.2000 auf der Wahrheit-Seite
der taz
Nr. 6038 auf Seite 20. |
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Die Birne, das Schamhaar und die Sinnfrage
Was macht noch Sinn in dieser Zeit?
Diese Frage ist keineswegs unverfänglich. Im Gegenteil.
Erste Hinweise auf die Bedeutsamkeit
der damit verbundenen Auseinandersetzung kann die Analyse
neuester Beiträge der Kinowerbung erbringen. Z. B. sieht
man dort zwei Zigarette rauchende Bauchnäbel, die sich über
Brustbehaarung unterhalten, die - durch eine bemerkenswerte
schauspielerische Leistung - von einer Schambehaarung dargestellt
wird. »Muss denn alles Sinn machen?«, ist die
Grundfrage, die diese Werbung explizit dem Publikum zur Diskussion
resp. zur gedanklichen Nachbearbeitung stellt. Anschließend
sieht man zwei poppende Birnen auf einem Eisbärenfell. Muss
denn alles Sinn machen?
Wem ist denn bitte schon gewahr
geworden, dass es sich bei dem Ausdruck »Sinn machen«
um einen Anglizismus handelt? »It makes sense«,
sagt der Angelsachse, was im Deutschen damit übersetzt wird,
dass etwas »Sinn ergibt« oder »Sinn hat«.
Womit wir bei des Pudels Kern wären. Denn hier offenbaren
sich Differenzen, die die Unzulänglichkeit einer hingerotzten
Translation in ihrer Bedeutung in den Schatten stellen.
Was bedeutet es etwa für die Volksseele
der Bewohner englischsprachiger Länder, dass bei ihnen Sinn
gemacht wird? Was für uns Deutsche, dass sich Sinn immer nur
»ergibt«, wie von einer höheren Macht geleitet,
bzw. Dinge einen Sinn bereits »haben«, gespendet
von - ja, wovon eigentlich?
»Sinn ist das durch Vorhabe,
Vorsicht und Vorgriff strukturierte Woraufhin des Entwurfs,
aus dem her etwas als etwas verständlich wird«, lautete
noch die in ihrer Simplizität schillernde Definition Martin
Heideggers. Doch wo stehen wir heute? Kann nicht davon ausgegangen
werden, dass die englische Sprache bereits die Postmoderne
vor deren Entstehung vorweggenommen hat? Der Sinn verdankt
sich den Zwangsstrukturen des Signifikanten, erkannte Foucault,
doch was nützte ihm das?
Die englische Sprache wusste es
ohnehin schon, der Deutsche verlässt sich lieber auf die Spende,
sei sie von Gott kommend oder, säkularisiert, von höchster
staatlicher Stelle, sagen wir: Helmut Kohl. Oder an ihn, aber
das ist wieder eine andere Geschichte.
Dass aber Geschichte gemacht wird,
wussten schon Extrabreit, glaubten allerdings vorpostmodern
naiv noch daran, dass es voran geht. Sei's drum. Nun setzt
sich in der deutschen Sprache immer mehr die Erkenntnis durch,
dass nicht nur Geschichte, sondern auch Sinn gemacht wird.
Was sind die Schlüsse, die sinnvollerweise daraus gezogen
werden müssen?
Muss denn immer alles Sinn machen?
- rücken wir die Ausgangsfrage noch einmal in den Vordergrund.
Dieser Text z. B.? Oder kann es etwas geben, das Sinn
hat, ohne ihn gleichzeitig zu machen? Oder das Sinn macht,
ohne ihn bereits zu haben? Oder hieße das, Äpfel mit Birnen
zu vergleichen? Und wie verhält es sich überhaupt grundsätzlich
mit der Sinnhaftigkeit von Kinowerbung?
Noch sind diese Fragen nicht geklärt.
Daher verlassen wir uns bis auf weiteres auf den Volksmund,
der uns bereits in der Vergangenheit bei der Klärung von Sinnfragen
zuverlässige Dienste geleistet hat. So auch hier. Er besagt,
dass Birnen die besseren Äpfel sind. Zu Schamhaaren, die sich
als Brusthaare ausgeben, sagt er nichts.
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